In heutigen Zeiten steigender Kosten in der Baubranche tritt der individuelle Traum von der Erschaffung eines Sinnraumes oft in den Hintergrund. Dabei ist es genau das, was wir wollen: Einen Ort, der uns visuell, akustisch und olfaktorisch anspricht, damit wir in entspannter Atmosphäre leben und arbeiten können, um das Leben zu genießen. Ein Plädoyer für die Sinne.
Was habe ich eigentlich mit Architektur am Hut? Ich bin Diplom-Designer, Werber und Parfumeur und beschäftige mich nur zeitweise mit der Gestaltung von Interieur-Lösungen, die obendrein fast ausschließlich in Zusammenhang mit gastronomischen Einrichtungen zum Tragen kommen. Sie möchten trotzdem wissen, was ich dazu zu sagen hätte? Ok, dann werde ich Ihnen ein oder zwei kleine Geschichten erzählen.
Es war der Sommer im Jahr 1980. Ich war 13 Jahre alt und zum ersten Mal mit meinen Eltern an der Côte d‘Azur in der Nähe von Saint-Tropez. Ich bin im Sauerland aufgewachsen, von daher war meine Begeisterung für die Schönheit des südlichen Frankreichs entsprechend groß. Für vierzehn Tage durften wir ein überschaubares, ebenerdiges Steinhaus mit liebevollen Details als Feriendomizil nutzen, das meine Eltern von einem Bekannten zu einem Freundschaftspreis von hundert Mark am Tag gemietet hatten. Das war damals ein Haufen Geld.
Jedes Zimmer verfügte über bodentiefe Doppeltüren, die über ein Kiesbett in den üppigen Garten führten, auf dem zur Mittagszeit große Korkeichen für ausreichenden Schatten sorgten und Lavendel und Strohblumen mit ihrem Duft die Luft schwängerten. Sowas hatte ich noch nicht gesehen. Und damit drängte sich mir zum ersten Mal die Frage auf, warum man so nicht auch in Deutschland baut – einfach hübsch, mit vielen authentischen Materialien und nah an der Natur.
Ein kleiner Zeitsprung: Dreizehn Jahre später reiste ich im Frühsommer 1993 zum ersten Mal gemeinsam mit zwei Freundinnen in meinem Opel Kadett C City nach Portugal. Die Anfahrt von Dortmund war etwas chaotisch, denn in den Pyrenäen verwandelte ein heftiger Hagelschauer mit tennisballgroßen Hagelkörnern die Karosserie meines Autos in einen großen Tipp-Kick-Tisch. Hinzu kam, dass es dabei auch die Heckscheibe zerrissen hatte. Oberhalb des Kofferraums diente von nun an eine Klarsichtfolie, die mit Klebeband fixiert war, für ein trockenes Heck.
„Angetrieben von Neugierde und der Sehnsucht nach Harmonie wird ein Raum für ein Erlebnis geschaffen, das die Sinne anregt.“
Doch der Duft von Zistrosen, Rosmarin und Wacholder, der uns zur Ankunft an der West-Algarve erwartete, entschädigte uns für alle Anstrengungen, die wir unterwegs auf uns genommen hatten. Das tobende Meer, der strahlendblaue Himmel und die rotbraune Farbe des Sandsteines, auf dem stellenweise hübsche weiße Häuschen mit roten Ziegeldächern eingebettet waren, nahm meine Sinne gefangen – auch wenn ein erneuter Besuch noch einundzwanzig Jahre auf sich warten lassen sollte.
Ab 2014 kam ich dann wieder fast jedes Jahr an die portugiesische Küste. Da ich die Düfte festhalten wollte, die mich immer wieder so begeistert haben, machte ich mich daran, die Pflanzen ausfindig zu machen, die am Küstenstreifen für die unterschiedlichen Gerüche verantwortlich waren, um die Essenzen für meine Parfum-Variationen bestimmen zu können. Nach umfangreichen Produktentwicklungen und Studien zu den Themen Aromatherapie, Botanik und natürliche Parfumerie habe ich dann meine eigene Serie naturreiner Parfums auf den Markt gebracht. Um mein Glück perfekt zu machen, fehlte jetzt nur noch die passende Immobilie. Doch auf der Suche nach meinem Traumhaus bin ich an der West-Algarve bislang leider noch nicht fündig geworden – aber das hat andere Gründe.


Dass die Kreation eines Parfums viel mit der Entwicklung eines Gebäudes gemein hat, scheint zunächst einmal abwegig zu sein. Aber geht es nicht in beiden Fällen um die Erfüllung eines Traums?
Angetrieben von Neugierde und der Sehnsucht nach Harmonie wird beiderseits Raum für ein Erlebnis geschaffen, das die Sinne anregt. Ist der Prozess vollendet, dürfen wir uns mit dieser Kreation verbinden, sämtliche positiven Eigenschaften nutzen und die geschaffene Atmosphäre mit allen Sinnen genießen. Eine gute Sache, die unserer Haltung und unserem Gefühl für Ästhetik Ausdruck verleiht. Voraussetzung dafür ist nur das Vertrauen in unsere Sinne, mit denen wir die Eindrücke unserer Umgebung auf uns wirken lassen können. Ein guter Grund, weiterhin mit voller Aufmerksamkeit bei der Arbeit zu sein.

Jens Dommermuth ist Kreativer, Berater und Podcaster in Bochum und kreiert Düfte für die Marke SEIXE Natural, die ausschließlich auf Basis von ätherischen Ölen, Weingeist und natürlichem Duftwasser hergestellt werden.