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Von der Natur zu lernen heißt, das Lebendige zu lieben.
Biophilie
Anke Birr

Anke Birr

Dipl.-Ing. Innenarchitektin

Wer kennt es nicht: Nach einem Waldspaziergang fühlt man sich konzentrierter und positiv gestimmt. Inzwischen weiß man, dass der Kontakt zu Elementen der Natur auch in Räumen die Konzentration erhöht und Menschen so leistungsfähiger macht. Richtungsweisende Gestaltungen, die diese Denkweise repräsentieren, bezeichnet man als Biophilic-Design. Es beschreibt, worauf es bei der Gestaltung von Architektur ankommt, um den Menschen auch in seinem Arbeitsumfeld mit Natur zu verknüpfen.

Klar ist, dass die digitale Transformation für unsere Arbeitskultur einen gigantischen Quantensprung hervorgebracht hat, der es ermöglicht Arbeitsprozesse komplett neu zu denken. Bei solch vielfältigen und verlockenden Möglichkeiten der digitalen Welt wird es bei der Planung von Architektur deshalb immer wichtiger, physiologische und psychologische Aspekte fest im Blick zu behalten. Fakt ist: Durch die zunehmende Digitalisierung in allen Lebensbereichen ist ein Trend entstanden, in dem Mitarbeiter den Bedarf nach Entschleunigung und Erdung immer deutlicher zur Sprache bringen. Der Wunsch nach der Ansprache aller Sinne oder einem Moment zum Ausgleich und Durchatmen rückt immer weiter in den Fokus des Interesses. In den Studien zum Thema finden sich zahlreiche Beispiele, die die Vielschichtigkeit von räumlichen Gestaltungsmerkmalen vor diesem Hintergrund beleuchten und den Wunsch nach Erfüllung dieser grundlegenden Bedürfnisse – Stichwort Earth & Roots – auf natürliche Art und Weise aufzeigen. Weltweit müssen laut dem global “Human Space Report” z.B. fast die Hälfte aller Büroangestellten ohne natürliches Tageslicht auskommen. Ein verschenktes Potential, denn es ist belegt, dass der Kontakt zur Natur oder Natur-Analogien uns kreativer, produktiver und gesünder macht. Geht es um die Planung und Gestaltung von Büroräumen sind drei Biophilie-Designmerkmale zu berücksichtigen: Natur im Raum, Analogien zur Natur und Natur des Raums. Insgesamt gilt: Je stärker die einzelnen Bereiche Berücksichtigung finden, umso überzeugender wird das Gesamtergebnis ausfallen.

Natur im Büro: Echt und als Prinzip

Der erste einfachste Weg zu mehr Lebendigkeit im Büro besteht natürlich darin, echte Pflanzen im Büro zu integrieren und so grüne Nischen zu schaffen. Darüber hinaus können zum Beispiel Wasserflächen eine beruhigende Wirkung auf die Mitarbeiter ausüben. Ein grundlegendes Merkmal für „Natur im Raum“ ist jedoch vor allem ein hohes Maß an Tageslicht durch eine Vielzahl großflächiger Fenster. Hinzu kommen mögliche Sitzoptionen am Fenster mit Blick nach draußen und die Möglichkeit eine Außenterrasse zu besuchen. Werden alle möglichen Maßgaben angemessen im Konzept implementiert, wird ein Arbeitsraum zum angenehmen adaptiven Lebensraum, in dem auch seine Bewohner wachsen, blühen und gedeihen können.

Die Natur ist perfekt und anziehend zugleich

Die zweite Methode beschäftigt sich mit Aspekten zum Thema „Analogien zur Natur“ in Form von Farben, Motiven und vor allem Materialien mit einem Fokus auf Haptik und Sensorik. Je nach beabsichtigter Funktion eines Raumes kann man Elemente des Biophilic-Design wie z.B. Holz mit einer entspannenden Wirkung unterstützend einsetzen. Farben und Motive, die mit natürlichen Elementen assoziiert sind, sowie eine eher zufällige legere Anordnung können verschiedenste Effekte zur Beruhigung oder Anregung haben.

Inspiriert von Räumen, die unsere Natur bietet

Die dritte Wirkungsweise wendet sich psychologischen Aspekten zu, die im Rahmen des Themas „Natur des Raums“ ihren Ausdruck finden. Die Bedürfnisse eines Menschen setzen sich gleichermaßen aus dem Wunsch nach Orientierung, Überblick und Anknüpfung sowie nach Abgrenzung und Privatsphäre zusammen. Darüber hinaus geht es darum verschiedene räumliche Situationen zu kreieren, die abgesehen von Beruhigung auch mit Stimulanz und Aktivierung spielen. Eine gewisse Dosis an Überraschung und Drama kann beleben und die Fantasie anregen oder einfach einen mentalen Szenewechsel unterstützen. Je nach Kontext des Raumes kann man sich die Wirkung der Gestaltung zu Nutze machen, sodass die betroffenen Aktivitäten eines Arbeitstages vorteilhaft beeinflusst werden. Wurden die Erwartungen an das Ergebnis zu Beginn eines Projektes klar formuliert, kann mit Hilfe dieser Maßgaben jedes Projekt spannend und kreativ realisiert werden und einen einzigartigen Ansatz verfolgen.


Positive Effekte für Gesundheit und Finanzen

Biophilic-Design kann das Bewusstsein für Gesundheit und Wohlbefinden stärken. Der Clou: Die Verbesserung der Gesundheit und des Wohlbefindens der Gebäudenutzer hat potenziell enorm positive wirtschaftliche Auswirkungen. In Büros z.B. kann die Produktivität gesteigert und Stress reduziert werden. Zufriedenheit und Kreativität wachsen, die Mitarbeiterbindung wird gestärkt und Fehlzeiten verringern sich. Nur ein Beispiel, das die wirtschaftlichen Potenziale deutlich macht: Energiekosten machen weniger als 1 % der Betriebskosten eines Büros aus. Der entsprechende Wert der Mitarbeitergehälter und Sozialleistungen beträgt dagegen 90 %.

Verantwortung für Gesellschaft und Business

Ein hoher Wohlfühlfaktor und erfolgreiches Business scheinen in der Vorstellung der meisten Menschen unvereinbare Dinge zu sein, doch das Gegenteil ist der Fall. Emotionen prägen neben unserer Gesellschaft auch die Wirtschaft. Daher wird es entscheidend sein, wie bewusst wir den Aspekt der Emotionalität bei der Entwicklung von Architekturkonzepten in Zukunft berücksichtigen und Biophilic-Design von Beginn eines jeden Projektes als festen Bestandteil einfließen lassen – für mehr positive Impulse im Wirtschaftsdenken.

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